Besondere Orte 4: Das Gerberviertel und der Folterkeller unterm Rathaus. Von Maximilian Schwefel

„Meine Geschichte hat außer öffentlichen Plätzen keine spezifischen Orte. Es soll so sein, dass beispielsweise die Wohnung der Hauptcharaktere nicht auffindbar ist. Hiermit möchte ich widerspiegeln, dass Sophie eine unter vielen ist, die der Hexerei angeklagt wurden. Zehntausende in ganz Europa waren betroffen. Es konnte jeder sein: Frauen, Männer, Kinder. Es reichte vom Bürgermeister bis zur Magd. Es wurden immer mehr: ein Einziger verriet unter Folter bis zu fünfzig Mittäter. Allein aus Habgier und Missgunst von anderen im Volk konnte jeder zum Opfer werden.“

Maximilian Schwefel

Die „Besonderen Orte“ in Nördlingen sind Orte, die auf den ersten Blick so gewöhnlich, so nichtssagend, so unsehenswürdig sind, dass man sie im Alltag einer Stadt nicht sonderlich wahrnehmen würde.

Ganz anders als eine Sehenswürdigkeit, die allen und jedem bereitwillig die immer gleiche Geschichte von sich erzählt – Fakten, Zahlen, Historie – sind die „Besonderen Orte“ sozusagen Lebenswürdigkeiten. Es sind die Orte, die 15 Jugendlichen in Nördlingen etwas Bestimmtes bedeuten. Orte, an denen sie sich aufhalten, an denen sie etwas Bestimmtes oder alles Mögliche erlebt haben, Orte, die zu ihnen gehören.

Das sind dann ein Hintertürchen, ein verlassenes Haus, ein Busweg, ein kleines Tor in der Mauer, ein Pavillon – um nur ein paar zu nennen. Ganz unbesondere Orte also, die nur deshalb, weil sie mit Leben gefüllt wurden, besonders werden – für eine bestimmte Person. Und diese bestimmte Person erzählt uns nun über ihren besonderen Ort und macht ihn dadurch auch für uns, nun ja, zu etwas Besonderem. Zu einem kleinen geteilten Geheimnis…

Die Stationen des Audio-Rundwegs „Besondere Orte“ sind eine Einladung, Nördlingen mit ganz anderen Augen zu entdecken: welche verborgenen Geschichten schlummern in den Alltäglichkeiten? Wie kann ein Ort besonders werden, weil er sich jemand anderem eingeschrieben hat, der darüber erzählt?

Die „Besonderen Orte“ entstanden im Rahmen der Schreibwerkstatt der 1. Stadtschreiberin für Kinder- und Jugendliteratur in Nördlingen, Stephanie Quitterer. Im Corona-Jahr 2021 führten 15 Jugendliche die Stadtschreiberin in 1:1 Spaziergängen an ihre „besonderen Orte“. Die Geschichten, die zu diesen Orten oder von ihnen inspiriert entstanden, haben die Jugendlichen anschließend selbst eingesprochen.

Ein Dank an die Stadt Nördlingen, die dieses Projekt im Rahmen des Stadtschreiberin-Stipendiums 2021 ermöglicht hat.

Alle „Besonderen Orte“ finden Sie hier.